Mittwoch, 5. Juli 1989

Monte Rosa 1989 - Dem Himmel nahe, Aufstieg zur Signalkuppe auf 4.554 m

Capanna Regina Margherita in der Monte Rosa auf dem Gipfel der Signalkuppe (Punta Gnifetti), 4.554 m
Sonnenuntergang mit Blick nach Westen von der Signalkuppe, 4.554 m (Matterhorn links vom Zentrum)
Heute ist es endlich soweit, wir steigen zur Signalkuppe auf und werden auf dem Gipfel in der am höchsten gelegenen Hütte des Alpenraums übernachten. Bis wir dort ankommen, liegt eine Gletschertour von ca. 6 Stunden vor uns. Wecken ist bereits in der Nacht, weil wir in der Morgendämmerung aufbrechen wollen. Von 3.500 m müssen wir auf 4.554 m mehr als 1.000 Höhenmeter  steigen. Absolut betrachtet ist das kein Problem, verlangt uns aber in dieser Höhe Respekt ab. Wir haben in dieser Höhe keine Erfahrungen. Für ernste Befürchtungen gibt es jedoch keinen Anlass. 

An Gepäck nehmen wir nur das mit, was wir für zwei Tage benötigen. Alles andere wird in der Hütte deponiert und wartet dort auf unsere Rückkehr. Inzwischen setzt die Morgendämmerung ein. Jetzt kann es losgehen.
Wir schauen noch einmal zurück auf die Hütte und die zweite Seilschaft unserer Gruppe, die wir bald aus den Augen verlieren werden. Über den Lysgletscher steigen wir zunächst 650 m bis zum Lysjoch auf 4.150 m.
Noch sind wir im Schatten der rechts von uns liegenden Gipfel unterwegs, während Punta Dufour und Ludwigshöhe bereits vom Licht der Morgensonne angestrahlt sind.
Im Anstieg zum Lysjoch treten wir aus dem Schatten heraus. Auf der Strecke müssen wir mit Gletscherspalten rechnen, die zugeschneit noch gefährlicher sind. Wir gehen in größeren Abständen und halten das Seil möglichst gespannt.
Die noch jungfräuliche Schneeauflage erschwert zwar das Gehen, vermittelt uns aber auch das Gefühl einer unberührten Natur. Soweit wir schauen können, sehen wir keine weiteren Seilschaften. 
Bald befinden wir uns auf der Höhe der Zwillingsgipfel Castor und Pollux.







Wir sind am Lysjoch angekommen, mit 4.150 m einer der höchsten Alpenpässe, von dem wir heute eine grandiose Aussicht und Weitsicht auf die Bergwelt haben. Von hier steigen wir zunächst ein wenig auf den spaltenreichen Grenzgletscher ab, über den die Route auf die Signalkuppe führt.




Inzwischen ist uns auch warm geworden, so dass wir unsere Jacken jetzt ausziehen und den Sonnenschutz gegen die starke Strahlung nicht vernachlässigen.


Vom Lysjoch sehen wir die Signalkuppe (rechts), unser Tagesziel, bereits deutlich vor uns. Links von der Signalkuppe liegt die Zumsteinspitze. Von dem Sattel zwischen den beiden Gipfeln (Colle Gnifetti) werden wir zur Signalkuppe aufsteigen. Links außen ist mit der Dufourspitze der höchste Punkt der Monte Rosa Gruppe zu sehen. 



In Richtung der Walliser Berge schauen wir in die beeindruckende Gletscherwelt.







Gegenlicht am Morgen auf dem Lysjoch, 4.150 m, in Richtung der Signalkuppe 4.554 m.
Im Anstieg zum Sattel unterhalb des östlich liegenden Gipfels der Parrotspitze, 4436 m.
Im Anstieg zum Sattel mit Blick nach Westen auf Lyskamm, 4.527 m, und Matterhorn, 4.478 m.
Blick auf die Signalkuppe, 4.554 m, im Anstieg zum Sattel.
In der Spur zum Gipfel der Signalkuppe, 4.554 m.
Letzte Pause auf dem Sattel vor dem letzten Anstieg zu dem etwa 100 m höher liegenden Gipfel der Signalkuppe, 4.554 m.







Vom Sattel zwischen Zumsteinspitze und Signalkuppe können wir die Hütte und die zu ihr führende Spur auf den Gipfel der Signalkuppe, 4.554 m, deutlich erkennen. Den letzten Anstieg nehmen wir wie im Rausch. In unserer Euphorie verspüren wir keine besondere Anstrengung. Nur noch wenige Schritte, bis ein Traum zur Realität wird. Berg heil!


Ankunft an der Capanna Regina Margherita
Am Rif. Cap. Reg. Margherita mit Parrotspitze 4.432

Die Hütte ist nur sehr einfach eingerichtet, aber keineswegs ungemütlich. Wir haben sogar eine kleine Kammer mit einem Balkon für uns alleine. Trotz des schönen Wetters rüttelt ein kräftiger Gipfelsturm an der Hütte. Wir dürfen uns jedoch sicher fühlen. Die Hütte ist gut mit Stahlseilen verankert und mit einem Kupfermantel gemäß dem Prinzip des Faradayschen Käfigs gegen Blitzschlag geschützt. 
Immerhin hält die Hütte seit 100 Jahren allen Stürmen stand. Ursprünglich wurde die Hütte zu wissenschaftlichen Zwecken gebaut. Die Einweihung hat 1893 unter Anwesenheit der italienischen Königin Margherita stattgefunden, die dort auch übernachtet hat und deren Namen die Hütte noch immer trägt. 
1980 wurde die vom italienischen Alpenverein CAI betriebene heutige Hütte gebaut. Bewirtschaftet ist die Hütte in den Monaten Juni bis September und bietet Schlafplätze für 70 Bergsteiger. Die ausschließliche Versorgung mit Hubschraubern macht sich naturgemäß auch in den Preisen bemerkbar.
Am Abend haben sich die Wolken fast verzogen. In dieser atemberaubenden Kulisse erleben wir einen derartig grandiosen Sonnenuntergang, dass allein dieses Erlebnis die gesamte Tour inkl. aller Kosten und Mühen rechtfertigt. Mit Spannung erwarten wir bereits das große Theater des Sonnenaufgangs, der als ähnlich überwältigend angekündigt ist.

Sonnenuntergang nach Westen im Gegenlicht (Ludwigshöhe im Vordergrund rechts, Matterhorn in der Mitte, Lyskamm links)
Sonnenuntergang in gleicher Richtung etwas später
Nach der Besteigung des Ortlergipfels im Vorjahr erleben wir heute eine emotionale Steigerung, die wir vorher nicht für möglich gehalten haben. Das tief bewegende emotionale Erlebnis dieses Tages motiviert und inspiriert uns zu der Suche nach Optionen für einen weiteren Ausbau von Erfahrungen.

1 Kommentar: